An Weihnachten zum Vegetarier?

Früher, als ich noch klein war, gab es in Darmstadt einen Feinkostladen.

Den Namen habe ich leider vergessen. Als Kind schockierte mich dieser Laden besonders um die Weihnachtszeit. Das stand dann ein waschechtes, ausgestopftes Reh vor der Tür und schaute mich mit vorwurfsvollen Glasaugen an, während über seinem Kopf, tote, an Füssen aufgehängte Fasane im kalten Winterwind baumelten. Hätte man mich gefragt, ich wäre lieber freiwillig dreimal in der von mir so gehassten Achterbahn gefahren, als an diesem Geschäft vorbei zu gehen. Irgendwann wich dieser Laden dann dem modernen Konsum, Feinkost war nicht mehr so gefragt und irgendeine Kleiderboutique übernahm die Lokalität.

Ganz ehrlich?

Ich war heilfroh!

Fortan baumelte zur Weihnachtszeit kein totes Getier mehr an irgendwelchen Hausvorsprüngen. Und die Erinnerung, dass man das Weihnachtsgeflügel nach dem Töten entfedern und ausweiden muss, verzog sich in die hintersten Gefilden meiner Gehirnwindungen. Die feinsäuberlich in Plastik verschweissten Enten, Truthähne und Perlhühner sehen so klinisch sauber aus, dass ich mir weiter keine Gedanken machen musste. Und das jahrelang.
Bis mich unser Umzug nach Paris vor über 20 Jahren in die Wirklichkeit zurückholte.

Da hingen sie wieder oder lagen bei den Metzgern in der Auslage.

Jetzt war ich ja ein ganzes Stückchen älter und hätte eigentlich ganz gut damit leben können, dass überall Weihnachtsbraten in Naturform und nicht gefrierfertig verpackt angeboten wurden.

Ich fand die Präsentation der armen Wesen nur so scheusslich.

In Frankreich war es üblich (ich weiss nicht, ob es in der Grossstadt heute noch so gehandhabt wird) das Federvieh zwar gerupft und ausgenommen darzubieten, aber sie lassen den Kopf dran.

Mit Federn und Augen!

Dieser Anblick verfolgt mich dann sogar im Supermarkt, wenn ich an der Gefriertruhe stehe und so brachte ich mir jahrelang Kassler Rippchen aus Deutschland mit.

Der Umzug in die Normandie brachte in dieser Hinsicht Beruhigung.

Es gab zwar in den ersten Jahren noch eine der berühmt berüchtigten „Chevalierie“, also einen Metzger der Pferdefleisch verkauft, aber der verschwand schon sehr bald und hatte auch keinen Nachfolger. Pferdefleisch scheint definitif out.

Jetzt bin ich sowieso nicht der grosse Fleischesser.

Ich esse zum Beispiel aus Prinzip kein Kalbfleisch, weil ich die Vorstellung ein „ Baby“ zu essen nicht ertragen kann. Die Hühner, die bei uns im Kopftoch landen, sind Freilandhühner. So kann ich mein schlechtes Gewissen, trotz des teuren Preises, damit beruhigen, dass das Viech wenigstens ein paar glückliche Monate hatte und nicht vor lauter Stresshormonen nur so aus dem Gefieder platzt. Hier und da ein Schnitzel oder ein Gulasch, reicht mir eigentlich.

Bis dato war ich also der ideale Supermarktkunde.

Das Fleisch ist fein säuberlich abgepackt und etikettiert und ich brauche mir weiter keine Gedanken darüber zu machen. Es gibt zwar auch da die ein oder andere Kühltruhe, an der ich, siehe oben, vorbeigehe, ohne sie eines Blickes zu würdigen ,aber damit kann ich leben.

Aber jetzt fällt mir sogar der Supermarktleiter in den Rücken und ab gestern habe ich mir zum ersten Mal ernsthaft überlegt, ob ich nicht doch zum Vegetarier werde! Zumindestens während der Feiertage!

Da werden – Weihnachten lässt grüssen – ganze Spanferkel zum Verzehr angeboten.

Da ist es dann wieder – mein Babysyndrom.

Riesige Rinderzungen in ganzer Form, alle möglichen Formen von niedlichen kleinen Vögeln inklusive deren winzigen, lustige getupfte Eier.

Ist denn da überhaupt genug Fleisch daran?

Tja und der Gong war dann gestern..............gleich neben dem australischen Straussenfleisch....

Känguruh und Krokodilfleisch!!!!!!!!!!

Ja sag mal, haben die noch alle Tassen im Schrank?

Nee echt nicht Leute.

Also das geht gar nicht!!

Tut mir leid.

Bei aller Liebe.

Und da könnt ihr mir hundertmal erzählen, wie gut das schmeckt. Da vergeht mir einfach nur alles!

Ich glaube bei uns gibt es dieses Jahr an Heiligabend Nudelauflauf!

Einen wunderschönen Sonntag

Bise Eure Pia

Comments

[Elena]

Obwohl ich ja vom Land stamme, wo in meiner Kindheit Schlachtszenen von Federvieh oder auf Leitern gegen die Hauswand aufgeklappte Schweine noch gang und gäbe waren, und in unserem Jägerhaushalt die geschossenen Enten, Fasanen oder Rehe im Keller hingen, geht es mir wie Dir Pia!

Ich finde die "lebensnahe" Inszenierung toter Tiere makaber, meide Kalb- und Pferdefleisch (gibt es übrigens an der Fleischtheke im Supermarkt) und hasse es, wenn mich die geschlachteten Hühner so vorwurfsvoll anstarren. Auch an den Schlachthöfen der Region, wo immer einige Todeskandidaten davor ihr letztes Gras weiden, fahre ich beklommen vorbei.

Andererseits esse ich ausgesprochen gerne Fleisch und finde, man darf auch nicht zu "hypocrite" sein. Wer gerne Lämmer, Kälbchen und bundte Hühner, Gänse und Entchen auf den Weiden sieht, sollte sich über ihre Bestimmung keine Illusionen machen. Und sterben müssen wir schließlich alle einmal. (Es ist ein bisschen Zeichen unserer Zivilisation, dass wir alle Erinnerungen daran - auch im menschlichen Bereich - möglichst aus unserem Gesichtsfeld verbannen...)
Wichtig finde ich, dass alle Kreaturen bis zum Schluss "human" behandelt werden. Daher auch die Ablehnung von Kalbfleisch (lamb chops esse ich mit Genuss), da die armen Wesen im Dunklen, angebunden gehalten werden, damit ihr Fleisch "schön" weiß und muskelfrei bleibt. Auch für Pferde ist der Metzger meist das Ende eines Leidenswegs. Und das Sterben der armen Hühner mit Köpfen muss ich regelmäßig bei meiner Nachbarin mit ansehen: sie werden lebendig an einem Fuß aufgeknüpft und müssen mit durchgeschnittener Gurgel ausbluten - wie für koscheres Fleisch -, weil sie dann angeblich besser schmecken.

Dieses Wissen trieb mich neulich zur ultimativen Konsequenz des "Nicht-Heuchelns": mein buntes Zwerghuhn-Völkchen hat sich diesen Sommer erfreulich vermehrt (nachdem es doch letztes Jahr so von Füchsen, Mardern und Ratten dezimiert wurde.) Und da die pränatale Geschlechterauslese bei Hühnern noch nicht betrieben wird, waren auch - sogar überwiegend - Hähnchen dabei. Als die heranwuchsen,wurde es nicht nur almählich eng im Hühnerstall, sondern auch unererträglich laut auf unserem Grundstück. Die Youngsters versuchten ununterbrochen, sich beim Krähen gegenseitig zu übertönen.
Also: es mussten welche weg!
Sie der Nachbarin geben, der das Umbringen nichts ausmacht, und weggucken? Abgesehen vom letzten Martyrium dachten ich an den Stress des Einsperrens und Transports (Tiertransporte, auch so ein Thema!). Nein, ich würde es selber machen. Sie quasi im Schlaf erst betäuben und dann enthaupten, wie ich es zu Hause gesehen hatte. Nach einigem Vor-mir-Herschieben schritt ich zur Tat. Dominik hielt mir die Lampe und hinderte mich daran, im letzten Moment zu kneifen.
Es war nicht schön,(die Biester flattern ja selbst ohne Kopf noch wie in höchster Not, auch das Ausnehmen wird nicht zu meinem Lieblingsjob avancieren. Aber ich werde es wohl wieder tun. Im Interesse der Tiere. Und, um dann wieder niedliche kleine Osterküken haben zu können....

Übrigens: zu Weihnachten gibt es bei uns traditionell Rehkeule. Vom Eismann aus Österreich importiert, wo ich weiß, dass die Tiere artgerechte Schonzeiten haben und so ein Böckchen eines Tages im Frühsommer, fiedlich auf seiner gewohnten Lichtung äsend, - knallbumm - tot umgefallen ist. (Nicht nach Hetzjagden und Dauerstress im Winter, wo es in hiesigen Wäldern jedes Wochenende ununterbrochen ballert.) Denn bejagt werden müssen sie - ohne natürliche Feinde - sowieso.

Ich wünsche Euch guten Appetit - ob mit oder ohne Fleisch (angeblich soll auch das Leiden der Pflanzen messbar sein. Und wie mit Fischen umgegangen wird, ist sowieso unsäglich!)