Scrapbooking versus Computer
Angeregt von meinem Blogeintrag über deutsche Aufräumwut versus französischem Chaos entbrannte vor kurzer Zeit in meiner elektronischen Mailbox, eine Diskussion über Nutzen oder Widersinn des Aufhebens von alten Sachen.
Soll man nun die zwanzig Jahre alte Zigarrenkiste vom Großvater aufheben, weil sie irgendwann wieder von Nutzen sein könnte oder sollte man kurzen Prozess machen und sie wegwerfen...... weil man kann ja nun nicht alles aufheben.
Sollte man nicht lieber alle Jahre wieder eine Razzia im Haus veranstalten und gründlich ausmisten?
Die Meinungen dazu waren geteilt.
Ich für meinen Teil gehöre eigentlich zu den Leuten, die mindestes einmal im Jahr gründlichst den Hausrat nach nicht geliebten und nicht gebrauchten Gegenständen durchforstet und sie freudig entsorgt. Danach fühle ich mich wohler und habe wieder Platz in meinen Schränken.
Gestern allerdings rutschte ich per Zufall in einen Fernsehbericht, der mein bisher von Feng Shui geleiteten Grundsätzen doch etwas ins Wanken brachte.
Es ging dabei um die Vergänglichkeit digitaler Daten.
Das Problem ist die Speicherung.
Digitale Daten werden codiert gespeichert, in Form von Nullen und Einsen. Und zum Lesen dieser Daten ist immer ein Dekodierer nötig. Da aber Computersysteme immer schneller und technisch versierter entwickelt werden, gibt es heute schon ganze Räume mit aufbewahrten Computerdaten, die eigentlich wertlos sind, weil es keinen Computer mehr gibt, der sie lesen kann. Man denke dabei nur an unsere guten alten Floppies. Wer vor ein paar Jahren beispielsweise sein Testament auf eine dieser schwarzen Scheiben gespeichert hat…. dessen Erben haben heute das Nachsehen.
Es sei denn, sie haben noch einen alten Computer mit der dazu passenden Hardware oder der reiche Erbonkel war so nett und blieb immer auf dem neuesten technischen Stand und übertrug die Daten auf CDs. Was aber wenn nicht?
Hinzu kommt, dass man eigentlich nicht so genau weiß, wie haltbar CDs überhaupt sind. Man rechnet mit zwischen 15 und 100 Jahren. Um das genau zu wissen, müssten wir aber erst einmal hundert Jahre gelebt haben. So gibt es, man höre und staune, Bakterien, die sich unsere heiß geliebten silbernen Scheiben als Lieblingsnahrung auserkoren haben und in kürzester Zeit eben jene, völlig unbrauchbar machen!>Vergleichsweise kann ein Buch bei richtiger Lagerung auch nach hunderten von Jahren von den Nachkommen gelesen werden, egal ob ein paar Seiten fehlen oder nicht.
Stellt sich die Frage:
WIRD UNSERE GEGENWART ALSO FÜR NACHFOLGENDE GENERATIONEN EIN DUNKLES ZEITALTER SEIN?
Die Antwort dazu kommt von PROF. DR. ROLF DÄssler,
FACHBEREICH INFORMATIONSWISSENSCHAFTEN DER FH POTSDAM:
„Wir riskieren, alle digitalen Daten, die wir in den letzten zehn Jahren – im so genannten digitalen Zeitalter – erzeugt haben, zu verlieren, wenn wir uns nicht Gedanken über die Langzeitarchivierung von digitalen Daten machen. Momentan fehlt dafür noch das gesellschaftliche Bewusstsein, das aber mit zunehmendem Einsatz digitaler Medien im Heimbereich entstehen wird. Seit ungefähr zwei Jahren verkauft man mehr digitale Fotoapparate als analoge. Diese Nutzer werden in ein paar Jahren ihre Datenträger nicht mehr lesen können, und dann werden Ihre Bilder unwiderruflich verloren sein.“
ELTERN WERDEN IHREN KINDERN KEINE FOTOS AUS DEREN KINDHEIT ZEIGEN KÖNNEN?
„Sehr gut möglich, denn man legt diese Tausende von Bildern erst mal auf Datenträgern ab, speichert sie, ohne zu selektieren. Früher hat man sich schon überlegt, welche Fotos man auswählt, um sie im Fotoalbum aufzuheben. Das traditionelle Fotoalbum könnte bald um ein Vielfaches wertvoller werden, als alle DVDs und CDs, die man jetzt bespielt. Zum Beispiel sind die dvds, die wir mit Daten von studentischen Projekten bespielt haben, schon nach anderthalb Jahren unbrauchbar geworden. Die Schichten haben sich verändert, offenbar ist auch Wasser eingedrungen.Bei ordnungsgemäßer Lagerung – nicht zu heiß, nicht zu hohe Luftfeuchtigkeit – kann man bei einmal beschreibbaren CDs von einer Lebensdauer von ein paar Jahrzehnten ausgehen. Bei mehrfach beschreibbaren fällt diese deutlich geringer aus, weil sie keine Schutzschicht haben. Man muss sich in den Forschungslabors dem Problem der Alterung von Schichten zuwenden.“
Hoch lebe da das Scrapbooking, kann ich da nur sagen.
Und jetzt mache ich mich schleunigst daran, die vielen netten Emails die ich in den letzten Monaten erhalten habe, oder selbst geschrieben habe, mal wieder auszudrucken.
Ich habe das vor ein paar Jahren schon mal gemacht. Auf meinem Computer sind die, die ich vor 2006 geschrieben habe nämlich mittlerweile alle verschwunden. Der Ordner mit dem abgehefteten, regen Mailverkehr von vor schieß mich tot mit meiner besten Freundin steht aber im Regal in meinem Atelier. Und wenn ich darin heute lese, ist es, als würde ich ein gut geführtes Tagebuch aufschlagen. Da stehen Sachen und Anekdoten drin, die ich schon längst vergessen habe über die ich mich aber heute mindestens genauso gut amüsieren kann wie damals.
Eine wunderschönen digitalen Sonntag
Zur Pia
Wer sich für das hochinteressante und ausführliche Interview mit Prof. Dr. Dässler interessiert, hier der Link
http://www.echtzeit02.de/index.php?heft=3&rubrik=2&artikel=3